Weidehaltung? Ganz klar: Ja!
Wer uns kennt, weiß: Soilify steht für gesunde Böden. Für regeneratives Wirtschaften. Und damit auch für Weidehaltung als einen der wichtigsten Hebel gegen Bodenerosion, Artenverlust und Humusverarmung.
Aber: Weidehaltung ist nicht gleich Weidehaltung.
Wer Kühe einfach nur rausstellt, macht noch kein System resilienter.
Was es braucht, ist Management – am besten nach dem Vorbild von Allan Savory: rotierende Beweidung, hohe Besatzdichten, kurze Standzeiten, lange Regenerationsphasen. So entsteht Aufbau statt Abbau, Leben statt Auslaugung.
Blinder Aktionismus bringt nichts – im Gegenteil: Er kann Böden sogar schädigen.
Und genau deshalb ist der aktuelle Streit um die neue Weidepflicht im Bio-Sektor so brisant.
Das sogenannte „Weidepapier“ – gut gemeint, schlecht gemacht?
Ende 2024 wurde ein Pilotverfahren zwischen der EU und Deutschland abgeschlossen, das das sogenannte „Weidepapier“ hervorbrachte: Alle Wiederkäuer – vom Kalb bis zur Milchkuh – sollen künftig zwischen April und Oktober täglich auf die Weide. Klingt erstmal logisch. Aber was auf dem Papier gut aussieht, ist in der Praxis vielerorts schlicht nicht umsetzbar.
In Regionen wie Franken, Nordwürttemberg oder Teilen Hessens herrschen Bedingungen, die Weidehaltung zur Herausforderung machen:
– zerstreute Flächen,
– innerörtliche Hoflagen,
– Realteilung,
– fehlende Wege,
– Straßen und Bahnlinien,
– Trockenlagen ohne Bewuchs.
Mit anderen Worten: Der Wille ist da – aber die Struktur macht’s unmöglich.
Politik auf dem Rücken der Betriebe?
Betroffene Landwirte – viele davon seit Jahrzehnten bio – sind verzweifelt. Sie haben sich zur IG „Kein Zwang zur Weide!“ zusammengeschlossen, um auf das strukturelle Dilemma hinzuweisen. Sprecher Jens Keim warnt: Bis zu 20 % der Biomilchproduktion drohen wegzubrechen. Das gefährdet nicht nur einzelne Höfe, sondern ganze Kreislaufkonzepte, die über Jahre hinweg zwischen Acker- und Milchviehbetrieben aufgebaut wurden.
Darüber hinaus arbeiten die Betriebe mit Futter- Mistkooperationen. Die von einer Rückumstellung auf konventionelle Wirtschaftsweise eines einstiges Biobetriebs ebenfalls betroffen sind.
Dabei erlaubt die EU-Öko-Verordnung 2018/848 längst Spielräume. Erwägungsgrund Nr. 44 stellt klar: regionale und strukturelle Gegebenheiten dürfen berücksichtigt werden. Doch diese Möglichkeit wird bislang ignoriert – ausgerechnet von denen, die „bio“ vertreten sollen.
Bioland unter Druck
Insbesondere Bioland steht in der Kritik. Der Verband fordert ab 2030 für seine Mitglieder 600 m² Weidefläche pro Rind – unabhängig von Lage und Infrastruktur. Der Einfluss Biolands auf das Weidepapier ist offensichtlich, die Folgen sind es auch: Viele Betriebe verlieren die Zertifizierung, obwohl sie hervorragende Tierhaltung leisten – nur eben nicht täglich draußen.
Und das ist das Paradoxe:
Noch vor wenigen Jahren hat Bioland Hybridstalllösungen mitentwickelt und aktiv beworben – für Betriebe in strukturell schwierigen Lagen. Heute gelten dieselben Konzepte plötzlich nicht mehr als gleichwertig. Obwohl sie Tierwohl und Kreislaufwirtschaft fördern.
Was hat sich geändert? Der Boden nicht. Die Betriebe nicht. Nur die Richtung des Verbandes.
Politik in Schönschrift
Die bayerische Staatsministerin Michaela Kaniber fordert nun eine Übergangsfrist von fünf Jahren. Auch Bioland begrüßt diesen Vorschlag – und schiebt die Schuld an der Misere nun auf die EU. Ein interessanter Schachzug, wenn man bedenkt: Die neue Bioland-Vorgabe greift genau in fünf Jahren.
Zufall? Vielleicht. Oder einfach geschickte Kommunikationsstrategie.
Doch Übergangsfristen lösen keine Strukturprobleme. Sie vertagen sie nur. Und erzeugen Frust – bei denen, die täglich melken, ackern, Entscheidungen treffen. Nicht im Sitzungssaal, sondern im Stall.
Vertrauen entsteht nicht durch Gnadenakte
„Bio darf nicht zum Gnadenakt werden“, sagt Jens Keim.
Und: „Vertrauen schafft man nicht durch Übergangsfristen, sondern durch Rechtssicherheit, Augenmaß und Respekt vor der Realität auf unseren Höfen.“
Er hat recht. Denn Bio heißt nicht: Vorgabe um jeden Preis. Bio heißt: Ganzheitlichkeit. Verstand. Verantwortung.
Und das ist die eigentliche Gefahr: Wenn aus einer sinnvollen Vision wie Weidehaltung ein bürokratischer Zwang wird, verlieren wir nicht nur Bauern, sondern auch das Vertrauen in die Bio-Idee.
Soilify steht für eine andere Vision
Wir stehen für gesunde Böden – und für gesunden Menschenverstand.
Für eine Landwirtschaft, die sich von Subventionen, Zertifikaten (jeglicher Art) und Planwirtschaft verabschiedet.
Für Betriebe, die frei entscheiden – und nicht per Verordnung gezwungen werden.
Für Systeme, die funktionieren – nicht nur im Prospekt, sondern auch in Hanglage, in Realteilungsgebieten, bei 36 Grad im Schatten.
Wir glauben an Weidehaltung – wenn sie machbar ist. Und sinnvoll gemanagt. Nicht als PR-Märchen, sondern als Werkzeug zur Regeneration.
Was jetzt zu tun ist
Die EU-Verordnung bietet bereits heute alle Spielräume, um praktikable Ausnahmen zu schaffen. Jens Keim hat dafür einen konstruktiven Vorschlag vorgelegt: Das Weidepapier soll um die Spielräume aus der EU VO durch Ausnahmen bei betrieblicher, struktureller oder sicherheitsrelevanter Einschränkung ergänzt werden, wo eine vollumfängliche Weide in der Praxis nicht umsetzbar ist
Denn niemand hier ist gegen Weide. Aber gegen Zwang.
Bio braucht Freiheit, nicht Bürokratie
Solange das Bild der „heiligen Weidekuh“ wichtiger ist als die Lebenswirklichkeit der Betriebe, bleibt der Konflikt ungelöst. Und wächst. Mit jeder Petition, jeder Ausstiegsmeldung, jedem verlorenen Liter Biomilch.
Es wird Zeit, dass wir Bio neu denken. Nicht als Zertifikat, sondern als Haltung.
Soilify steht für regenerative Landwirtschaft – nicht auf dem Papier, sondern im Boden.
Für die Rückkehr zu Prinzipien, die wirklich zählen:
Boden gut. Hof gesund. Bauer frei.
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