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Unsere Erde braucht Hilfe. Wir, die Menschen, brauchen Hilfe. Und immer mehr Menschen verstehen: Wir dürfen es wieder lernen, besser mit uns selbst und der Natur umzugehen. Sofern wir noch viel mehr als zwei Generationen auf diesem wunderschönen Planeten verweilen wollen.
Ich widme mich heute einem vielfach emotional diskutierten Thema und möchte klar machen, warum eine Ausnahmeregelung für die Anwendung von Glyphosat durchaus hilfreich sein kann.
Und obwohl Glyphosat bzw. dessen Anwendung in der Landwirtschaft auch berechtigter Weise in der Kritik steht, gibt es den landwirtschaftlichen Kontext, wo Glyphosat ein wertvolles Werkzeug sein kann. Denn darum geht es: Es kommt immer auf den Kontext an.
Durch den Artikel wird hoffentlich auch klarer, dass sich für den Einsatz von Glyphosat auszusprechen KEIN Zeichen dafür ist, im Auftrag von Großkonzernen zu stehen. Sondern, dass es als eine Argumentation für die Landwirte und für uns Menschen gesehen werden kann.
Glyphosat als Werkzeug
Ich plädiere für einen verantwortungsvollen Einsatz von Glyphosat, bei dem die Substanz nicht in Kontakt mit der Pflanze kommt, die später geerntet wird.
Die Dosis sollte dabei so gering wie möglich sein, eben nur so viel wie nötig – denn wir erinnern uns: die Dosis macht das Gift. Im Vergleich zu anderen Methoden ist Glyphosat in diesem Kontext tatsächlich vorteilhaft in Bezug auf das Bodenleben und Bodengefüge. Und dennoch muss der Einsatz von Glyphosat selbstverständlich kritisch hinterfragt werden.
Warum brauchen wir diese Chemikalie überhaupt? Und warum setze ich mich dafür ein?
Aus einem einfachen Grund: Aus Respekt vor der Arbeit der Landwirte. Und um mit daran zu arbeiten, dass Landwirten die Werkzeuge zur Verfügung stehen, die sie für ihre Arbeit brauchen – nämlich Nahrung für alle Menschen und Tiere zu produzieren, unsere Böden wieder aufzubauen und das Klima zu schützen.
Ich bin davon überzeugt, dass Veränderungen in einem Prozess erfolgen dürfen. Das kommt der Natur auch näher. Es darf schrittweise vorgegangen werden, immer im Kontext der Anwendung gesehen.
Ein Vergleich, der mir zumindest an der Stelle hilft, diesen Übergang zu verstehen: Ein Mensch, der Kopfschmerzen hat, soll Zugang zu Kopfschmerztabletten haben. Mit Nachlassen der Kopfschmerzen kann begonnen werden, Fragen nach den Ursachen zu stellen. Die Herausforderung ist dabei, aus den Antworten entsprechende Handlungen abzuleiten, um eines Tages vielleicht ohne oder zumindest mit wesentlich weniger Kopfschmerztabletten auskommen zu können.
Ist Glyphosat wirklich das Problem?
Die Argumente gegen den weiteren Einsatz der Chemikalie berufen sich u.a. auf die Kanzerogenitäts-Einschätzung, auf die Spuren von Glyphosat und sein Abbauprodukt AMPA (Aminomethyl-Phosphonsäure) in Luft und Wasser und in Blut und Urin von Menschen, sowie auf das Artensterben in Agrarlandschaften.
Zudem wird das Auftreten und der Gebrauch von Glyphosat mit Erscheinungen wie der Störung der Darmgesundheit und damit auch dem Zusammenhang mit entzündlichen und Autoimmun-Prozessen im Körper, der nicht alkoholischen Fettleber und vermehrtem Auftreten von Autismus in Zusammenhang gebracht.
Alles verständliche Gesichtspunkte.
Für mich bleibt jedoch die Frage: Ist wirklich Glyphosat das Problem? Oder, wenn wir es schaffen den Blick etwas weiter zu fassen: Ist Glyphosat im jeweiligen Kontext angewandt das Problem?
Ist bei einer Landwirtschaftsform, die Boden zerstörend agiert UND Glyphosat anwendet wirklich Glyphosat das Problem?
Und aus gesundheitlicher Sicht: Kann Glyphosat wirklich als einzelner Stoff Probleme verursachen oder ist es nicht wieder ein größeres Geflecht von Zusammenhängen, und trägt nicht auch unser Lebensstil, also unser Verhalten zu den Problemen bei?
Ist bei einem Menschen, der einen unbewegten Lebensstil führt, nährstoffarme Nahrungsmittel zu sich nimmt und stundenlang am Tag vor Bildschirmen sitzt und mehr oder weniger sinnlose Arbeit vollführt und kaum mehr Kontakt mit der Natur hat wirklich Glyphosat das Problem?
Der Kontext ist der Schlüssel.
Dr. Theodor Friedrich (ehem. Botschafter der FAO) in einem Interview auf der Soil Evolution 2022 zum Thema Glyphosat.
Glyphosat und Bodenschutz
Es gibt mehrere Anwendungen von Glyphosat. In der Landwirtschaft unter anderem als sogenannte Vorsaat-Behandlung. In der Sprache des konventionellen Anbaus bedeutet dies: die Unkräuter werden spezifisch mit Glyphosat entfernt, BEVOR die Hauptpflanze gesät wird und ohne pflügen oder fräsen zu müssen. Diese Vorsaat-Behandlung mit Glyphosat wird in den regenerativen Methoden Mulchsaat und Direktsaat angewandt.
Es gibt in Deutschland Landwirte, die bereit sind, im Ackerbau von der konventionellen auf die Regenerative Landwirtschaft umzustellen, konkret eben auf Mulch- oder Direktsaat. Bei beiden Methoden wird der Boden so wenig wie möglich bewegt, bei der Direktsaat gar nicht.
Viele Landwirte zögern mit diesem Schritt jedoch, da sie nicht wissen, ob Glyphosat nach 2022 weiter zur Verfügung steht. Denn ab dem 15.12.22 soll Glyphosat in der EU verboten sein. Diese Entscheidung wurde getroffen, ohne die Landwirte zu diesem Thema wirklich zu hören. Was schade ist!
Alexander Klümper und Ulrich Zink sind zwei der bekanntesten und etabliertesten „Direktsäer“ in Deutschland und erzielen großartige Ergebnisse auf ihren Flächen. Thomas Sander, Rolf Schneider, Mathias Zeitke, Hartwig Callsen, Christoph Söhlke sind weitere erfolgreiche Landwirte der Direktsaat.
Von Alexander Klümper lernte ich zum Beispiel, dass die meisten Direktsaat-Landwirte kaum noch Insektizide einsetzen müssen, da sie genügend Nützlinge haben, deren Habitat durch die Bodenbearbeitung nicht zerstört wird. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, welches Insekten-Habitat und welche enorme Biodiversität die Bewirtschaftungsweise der Direktsaat bietet.
Zwischenfrüchte und stete Bodenbedeckung sind neben der geringst möglichen Bodenbewegung ein weiterer Teil des Direktsaat Systems.
Ich lade dich ein, acht Minuten deiner wertvollen Zeit zu investieren, um zu sehen, dass Glyphosat im entsprechenden Kontext angewandt sinnvoll sein kann:
Glyphosat ist ein Umweltschutzmittel. Erosion. Black Soil Matters, too. Don’t till ’em
Ausnahmeregelung für Glyphosat?
Ich hoffe, ich konnte darstellen, dass Glyphosat nicht das eigentliche Problem ist, sondern unser Umgang damit.
Es ist wie beim Zucker: Ernährungsphysiologisch gesehen super wichtig für unseren Körper, viele von uns essen aber einfach zu viel davon. Und warum wir zu viel davon essen, ist wiederum abhängig vom Kontext, in dem wir uns befinden!
Mir ist bewusst, dass es ausreichend Stellungnahmen gibt, die klar zu machen versuchen, warum Glyphosat verboten wird. Hier ist beispielsweise das Papier des BUND zu nennen, oder auch eine Stellungnahme von Andrea Beste, und nicht zuletzt die Arbeit des EU-Abgeordneten Martin Häusling.
Ich spreche mich aber dafür aus, den Kontext zu beachten, die Selbstbestimmung des Landwirts zu erhalten, und ihnen die Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, die sie für ihre Arbeit brauchen.
Eine Idee wäre nun bspw. eine Ausnahmeregelung für Glyphosat, welches verantwortungsvoll nur in einem bestimmten landwirtschaftlichen Kontext angewandt werden darf, so dass dessen vollständige Umsetzung im Boden gewährleistet ist und kein Kontakt zu der Pflanze besteht, die später zum Lebensmittel verarbeitet wird. Ich plädiere hier für eine Glyphosat-Ausnahmegenehmigung in der Direktsaat! Auch aus dem Grund, dass hier weit gefährlichere Unkrautbekämpfungsmittel eingesetzt werden müssten, wenn Glyphosat nicht mehr zur Verfügung steht. Sicherlich gibt es auch andere Methoden und Technologien, aber die Kosten sind oft ungleich höher, was die ohnehin zu geringe Gewinnmarge der Landwirte noch weiter schmälert, was schlussendlich zu weiterem Höfesterben führt.
Unkräuter bzw. Beikräuter und ihre Ursache
Im Falle der Anwendung von Glyphosat haben wir also ein Werkzeug, was ein Symptom unterdrückt: das Unkrautwachstum. Im Öko-Landbau werden Unkräuter auch als Beikräuter bezeichnet. Und aus einer weiteren Perspektive betrachtet sind es Pflanzen, die sich auf dem derzeitigen Boden anscheinend ziemlich wohl fühlen und daher gut wachsen können.
Für den Prozess der Unkrautunterdrückung gibt es noch weitere Möglichkeiten: z.B. Grubbern, Abflammen und mit elektrischen Schocks arbeiten.
Widmen wir uns der Frage, warum Unkräuter wachsen. Letztlich sind Unkräuter gut angepasste Pflanzen, die mit dem Milieu auf dem Acker wunderbar klar kommen. Das Konzept der ökologischen Sukzession bringt hier mehr Lichts in Dunkle und beschreibt auch, WARUM überhaupt der Unkraut- bzw. Beikrautdruck so hoch ist.
Es ist also nachhaltig, den Unkrautdruck zu senken, das Milieu im Boden zu verändern und den Boden in seinen Selbstregulierungsmechanismen zu unterstützen. Wie das aussieht? Das wissen viele Landwirte sehr genau. Sie wissen jedoch auch, dass für einige es vorerst förderlich wäre, Glyphosat weiter anwenden zu können.
Was ist eigentlich Glyphosat und wofür wird es eingesetzt?
Falls du Interesse hast, mehr zu erfahren, eignen wir uns nun etwas Wissen über die Chemikalie und den Hintergrund der Anwendung an.
Glyphosat ist ein Unkrautvernichtungsmittel. Ein Herbizid unter den Pestiziden.
Um kurz die Begrifflichkeiten zu klären: Der Oberbegriff für Herbizide, Fungizide und Insektizide ist Pestizid. Diese Stoffen werden auch als Pflanzenschutzmittel bezeichnet.
Glyphosat wird umgangssprachlich oft auch als „Ackergift“ bezeichnet, was aufgrund bestimmter Betrachtungsweisen auch seine Berechtigung hat.
Glyphosat wurde in den 1970er Jahren von dem Unternehmen Monsanto auf den Markt gebracht. Genauer gesagt kam Glyphosat 1974 als Wirkstoff in Form des Herbizids „RoundUp“ auf den Markt, welches auch aus weiteren Inhaltsstoffen besteht.
In den 90er Jahren wurden dann auch Pflanzen zugelassen, die so gentechnisch verändert waren, dass sie resistent auf Glyphosat waren. Die sogenannten GMOs.
So konnten auch glyphosathaltige Herbizide nach der Aussaat der Hauptpflanze (der cash crop) und während des gesamten späteren Wachstums der Pflanze eingesetzt werden und das Feld unkrautfrei gehalten werden.
Wusstest du, dass das Patent für die Glyphosat Herstellung bereits 2002 abgelaufen ist? Landwirte müssen Glyphosat seit dem nicht mehr bei Monsanto und Bayer in Form von RoundUp bestellen, sondern können die Chemikalie auch z.B. deutlich günstiger aus China beziehen.
Es bestehen also Herstellungs- und Vertriebsstrukturen, die unabhängig von dem Konzern Bayer-Monsanto bestehen. Ich erwähne dies hier, da auch argumentiert wird, dass Glyphosat-Befürworter von Konzernen bezahlt wären – vermutlich verhält es sich genau umgekehrt, da Bayer eher ein Interesse daran hat, Glyphosat durch neue Produkte zu ersetzen, mit denen sie deutlich mehr Umsatz generieren können.
Bestehende Vertriebsstrukturen zu nutzen ist übrigens auch deutlich ressourcenschonender als bspw. neue Mittel auf den Markt zu bringen.
Lasst uns gemeinsam eine Regenerations-Bewegung starten
Die Lage ist zugegeben sehr komplex und auch vertrackt. Danke dafür, dass du bereit bist, die Angelegenheit näher zu beleuchten und damit auch automatisch mitwirkst, eine Verbindung zwischen Landwirtschaft, Bevölkerung und Politik herzustellen.
Falls du Interesse hast, dich intensiver mit landwirtschaftlichen Praktikern zu diesem Thema auszutauschen, Brücken zu bauen und mit deiner Arbeitsweise die Kommunikation hier zu unterstützen, melde dich gerne bei uns!
Der Zustand unserer Böden und wie diese bewirtschaftet werden geht uns alle etwas an! Lasst uns gemeinsam an der Regeneration der menschlichen Gesundheit und unserer Böden arbeiten! Auch wenn wir für diesen Prozess weiterhin und vielleicht sogar nicht mehr lange Glyphosat brauchen.
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