Glyphosat ist das weltweit am meisten angewendete Herbizid. Da gleichzeitig die Landwirtschaft anerkanntermaßen für viele der Umweltbelastungen verantwortlich ist, ist Glyphosat der Lieblingsfeind der Umweltbewegung geworden.
Das ursprüngliche Argument gegen Glyphosat, nämlich dass Glyphosat krebserregend sei, wäre ein Grund für ein Verbot gewesen. Der Verdacht auf die krebserregende Wirkung von Glyphosat konnte jedoch in objektiven wissenschaftlichen Studien nicht erhärtet werden. Das ist der Grund, warum die Europäische Union Glyphosat wahrscheinlich für weitere 10 Jahre zulassen wird.
Glyphosat – der umstrittene Unkrautvernichter?
Inzwischen ist jedoch so viel Stimmung gegen Glyphosat gemacht worden, dass es jetzt um das Prinzip zu gehen scheint. Der Grundtenor: Glyphosat muss verboten werden, egal warum.
Das neue Argument ist jetzt, dass es die Biodiversität beeinträchtige. Dieses Argument sollte jedoch gut durchdacht werden, um zu vermeiden, dass man durch ein Glyphosatverbot die Biodiversität noch weiter schädigt.
Glyphosat ist ein Herbizid und als solches sicherlich weder gesundheitsfördernd für den Menschen noch positiv für die Umwelt. Insofern hat der Hersteller von Glyphosat mit den Behauptungen, dass Glyphosat völlig unbedenklich sei, sicherlich übertrieben und auch zum Missbrauch von Glyphosat beigetragen.
Glyphosat wurde ursprünglich zur Bereinigung der Felder vor der Aussaat und vor dem Auflaufen der gesäten Kultur entwickelt. Verglichen mit dem zu der Zeit einzigen vergleichbaren Produkt, Paraquat, war es wesentlich weniger toxisch und hatte den Vorteil, systemisch zu sein, d.h. die Pflanzen auch mit der Wurzel zu töten.
Das ist besonders hilfreich bei Wurzelunkräutern, wie der Quecke, die durch mechanische Unkrautbekämpfung oft nur oberflächlich unterdrückt, unterirdisch aber sogar noch vermehrt werden kann.
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Tötet Glyphosat alle Pflanzen ab?
Ein Beweis, dass Glyphosat schädlich für die Biodiversität sei, ist der Hinweis darauf, dass es ein „Totalherbizid“ ist, d.h., es tötet alle Pflanzen ab. Die Annahme, dass Glyphosat als Totalherbizid alle Pflanzen abtötet, ist jedoch falsch. Richtiger könnte man es als Breitbandherbizid bezeichnen, denn es tötet die meisten breitblättrigen Unkräuter, aber auch vor allem Gräser ab. Vielen Leguminosen, wie z.B. Wicken oder auch Weißklee, ist mit Glyphosat jedoch nicht beizukommen. Auch tötet Glyphosat nur die Pflanzen ab, bei denen es auf grüne Blattflächen gelangt. Pflanzen, die noch nicht gekeimt und aufgegangen sind, sogenannte Spätkeimer, oder von denen nur holzige Stengelteile getroffen werden, sterben nicht ab. Darüber hinaus wird Glyphosat im Zusammenkommen mit organischer Substanz sehr schnell deaktiviert und damit unwirksam. Damit können Pflanzen, die zum Zeitpunkt der Ausbringung noch nicht gekeimt waren, durchaus wachsen.
Andererseits ist zu bedenken, dass der Pflanzenbau selbst ja ein erheblicher Eingriff in die Biodiversität ist, indem auf den Ackerflächen möglichst nur die gewünschte Kulturpflanze wachsen soll. Wenn also das Argument der Biodiversität so eng ausgelegt wird, sollte man Pflanzenbau ganz verbieten. Aber was ist die Alternative?
Würden wir damit nicht noch mehr Anlass geben, bisher vollständig naturbelassene Flächen im Amazonasgebiet, den brasilianischen Cerrados, dem Pantanal oder dem Gran Chaco Argentiniens, Paraguays und Boliviens zu roden, um bei uns die Natur zu erhalten?
Wenn wir also akzeptieren, dass wir weiterhin in Deutschland Kulturpflanzen anbauen und unsere Nahrung möglichst regional und saisonal erzeugen wollen, müssen wir uns mit Alternativen zur Kontrolle der unerwünschten Beikräuter und deren Auswirkung auf die Biodiversität auseinandersetzen.
Selektive Mittel – die smartere Unkrautkontrolle?
Die chemische Unkrautkontrolle mit Herbiziden ist nach wie vor, auch ohne Glyphosat, die am meisten genutzte Technik. Leider sind alle Alternativprodukte zum Glyphosat wesentlich kritischer einzuschätzen, was ihre Toxizität und auch ihre Umweltwirkungen angeht. Da es sich meistens um selektive, also spezifische Produkte handelt, müssen zur Kontrolle einer vielfältigen Beikrautflora oft Mischungen aus verschiedenen Produkten eingesetzt werden.
Das heißt, es wird noch mehr Chemie ausgebracht, als das mit Glyphosat der Fall wäre: Schlecht für die Umwelt und auch für den Geldbeutel der Bauern. Oft kommen auch Bodenherbizide zum Einsatz, die dann alles abtöten, was sich im Boden befindet. Viele Herbizide haben auch Langzeitwirkung, so dass nach deren Einsatz nicht jede beliebige Kultur angebaut werden kann. Das wiederum hat Auswirkungen auf die Fruchtfolgen und schränkt die Biodiversität im Anbau weiter ein.
Bodenbearbeitung: besser für die Biodiversität?
Die derzeit favorisierte Alternative zur Unkrautkontrolle ist die mechanische Bodenbearbeitung, angefangen mit dem Pflügen, welches die gesamte Pflanzenmasse tief im Boden vergräbt, bis hin zum mechanischen Hacken der Unkräuter.
Diese Verfahren werden derzeit in Deutschland noch von über 95% der Landwirte eingesetzt, oft zusätzlich zu den oben beschriebenen chemischen Verfahren. In der Biolandwirtschaft ist dies die einzige Art, die Bestände halbwegs sauber zu halten. Da im Bio-System keinerlei Chemie eingesetzt werden darf, wird daher umso intensiver bearbeitet – unter großem Aufwand von Arbeitszeit und Dieselkraftstoff. Aber ist die Bodenbearbeitung nun so viel besser für die Biodiversität? Abgesehen davon, dass auch sie nicht die perfekte Unkrautkontrolle darstellt und sie vielfach zur Konservierung und Vermehrung von Unkräutern beiträgt, ist sie zunächst nicht selektiv, also im oben genannten Sinne ein Totalherbizid.
Lebensraumzerstörer
Die Bodenbearbeitung tötet jegliches Pflanzenwachstum ab und sollte nach der Argumentation also auch verboten werden. Schlimmer noch: sie ist nicht nur ein Totalherbizid, sondern auch generell ein Breitbandbiozid. Neben Pflanzen zerstört es darüber hinaus auch den Lebensraum aller im Boden und an der Bodenoberfläche lebenden Arten, angefangen von Pilzen, die für die Ernährung der Pflanzen eine große Rolle spielen, über Insekten, einschließlich bodenlebender Bestäuber, Würmern bis hin zu Wirbeltieren, wie z.B. bodenbrütende Wildvögel. Die einzigen, die diese Behandlung überleben, sind Bakterien – und die überleben auch nur so lange, wie sie noch organische Substanz im Boden finden, die mit der Bodenbearbeitung ebenfalls verlorengeht.
Unsere derzeitigen mechanisch bearbeiteten „Kulturböden“ in Deutschland sind überwiegend tot und arm an organischer Substanz, haben eine sehr schlechte Biodiversität und beeinträchtigen auch die Biodiversität im Umfeld.
Anwendung aber bitte richtig
In diesem Sinne will es wohlüberlegt sein, ob man der Biodiversität mit einem Glyphosatverbot nicht einen Bärendienst erweist. Das heißt nicht, dass Glyphosat weiter so eingesetzt werden sollte, wie bisher. Auch wenn bisher noch keine gesundheitsrelevanten Grenzwerte ermittelt werden konnten, hat Glyphosat nichts in der Nahrungskette oder im Wasser verloren. Es darf daher niemals auf Ackerkulturen ausgebracht werden, z.B. zur Reifebeschleunigung vor der Ernte, und es sollte ein striktes Importverbot für so behandelte Produkte durchgesetzt werden. Auch sollte Glyphosat niemals dort ausgebracht werden, wo es direkt ins Wasser gelangen kann, z.B. auf Böden, die mechanisch bearbeitet werden (Stichwort: Erosion), mit Flugzeugen oder Drohnen oder in direkter Gewässernähe; in jedem Falle wären Grenzabstände und Maßnahmen zur Driftkontrolle durchzusetzen.
Ferner gehört Glyphosat nicht auf Flächen außerhalb der Landwirtschaft. Es sollte nur auf nicht mechanisch bearbeiteten Böden mit einer entsprechend schützenden Mulchschicht vor dem Auflaufen der Kultur eingesetzt werden dürfen. Im Übrigen sollte man, um die Biodiversität zu schützen und zu regenerieren, vor allem die mechanische Bodenbearbeitung verbieten und die Regenerative Landwirtschaft ohne Bodenbearbeitung fördern.
Diese Art der Landwirtschaft kann durch Untersaaten und Mischkulturen sowie vielfältigen Fruchtfolgen auch das Problem der reduzierten Biodiversität im Pflanzenbau reduzieren und es fördert in kurzer Zeit die gesamte Biodiversität unter und über der Bodenoberfläche.
Reduktion von Pflanzenschutz
Mittel bis langfristig lässt sich so auch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln einschließlich der kritischen Herbizide reduzieren und evtl. ganz vermeiden. Dies schließt Glyphosat mit ein. Bis dahin sollte es aber als die am wenigsten schädliche Alternative erhalten bleiben.
Soilify.org ist die Plattform der Regenerativen Landwirtschaft. Zusätzlich zu unseren eigenen journalistischen Inhalten erscheinen ausgewählte Texte kluger Branchenköpfe. Einen davon habt ihr gerade gelesen. Bitte denkt daran, dass die Meinung unserer Gastautoren nicht unbedingt die unsere ist. Wir sind für offene Diskursräume. 🤗
h.foerste@posteo.de
13. Februar 2024 at 10:17Sehr geehrter Herr Friedrich,
vielen Dank für diesen Artikel! Ich zählte mich zu den militanten Gegnern des Herbizids Glyphosat und war tief schockiert über die Zustimmung der EU zu weiteren 10 Jahren Glyphosatnutzung. Im Nachgang begann ich mich zu belesen, wie denn der Einsatz dieses Herbizids in der Praxis aussieht, wie sehen die Argumente für die Anwendung des Herbizids aus, wie entwickelt sich die zukünftige Entwicklung. Hier hat Ihr Artikel mir geholfen zu verstehen, dass Glyphosat im System der Bodenbearbeitung eher ein Akutmedikament darstellt und sich das gesamte System (hoffentlich) weiterentwickelt zur bearbeitungsarmen Bewirtschaftung mit ganzheitlichem Ansatz der Permakultur.
Vielen Dank für Ihre Arbeit und die Arbeit des Teams von Soilify.
Herzliche Grüße
Henning
Jan Wagner
13. Februar 2024 at 13:14Lieber Henning.
Dein Feedback haben wir Theodor Friedrich weitergeleitet. Schön, dass wir dazu beitragen können, das Thema Glyphosat differenzierter betrachten zu können. Freut uns auch sehr, dass Du trotz Vorverurteilung ergebnisoffen geblieben bist. Erzähle gern auch anderen von Deinen Erkenntnissen. Herzliche Grüße, Jan vom Team soilify
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