„Nehmen wir den Erdfloh als Beispiel. Der kommt, wenn der Pflanzensaft zu viel Nitrat und/oder zu viel Zucker enthält. Wenn ich das weiß, kann ich gezielt mit der Düngung von Kalzium und Molybdän, oder im Falle von Zucker mit Bor entgegenwirken.“ Manfred Derflinger gehört im Ackerbau zu den Querdenkern. Seit einigen Jahren beschäftigt sich er und die PFF-Gruppe intensiv mit Nährstoffen in Boden und Pflanze.
Bereits in Ausgabe 24/2019 haben wir über seinen Betrieb und seine Tätigkeiten berichtet. Nun wollen wir tiefer in die Materie eintauchen und uns ansehen wie PFF mithilfe gezielter Düngung gegen Schädlinge vorgehen will.
Basis Einstellung
Fehlernährung bedeutet, dass von bestimmten Nährstoffen oder Substanzen zu wenig oder zu viele in der Pflanze vorkommen. Zudem beeinflussen sich die Nährstoffe im Boden auch untereinander, so konkurrieren beispielsweise Kalzium, Magnesium und Kalium in der Aufnahme.
Daher trachten die PFF Landwirte danach, das optimale Nährstoffverhältnis im Boden zu erlangen. Dabei richten sie sich stark nach den Lehren der amerikanischen Bodenkundler Albrecht und Kinsey (Optimum der Kationenaustauschkapazität: 68 % Ca, 12 % Mg, 4–6 % K).
Doch die Pflanzen benötigen auch eine Vielzahl an Spurenelementen. Diese sind laut dem deutschen Professor Werner Bergmann nicht selten für Ernährungsstörungen verantwortlich. Daher legt PFF auch großen Wert darauf. Anfänger sehen sich Zink, Kupfer, Bor, Mangan und Eisen an.
Die Profis düngen später Molybdän und Cobalt. Die Königsklasse beschäftigt sich dann noch mit Nickel und Selen. „Um die Pflanzen optimal versorgen zu können, muss man aber zuerst wissen, was da ist“, so Derflinger.
„Dazu braucht es eine g´scheite Bodenanalyse nach Kinsey. Eine Standardanalyse nach VDLUFA und danach NPK zu düngen, das ist zu wenig.“
Kalzium als Nährstoff
Wenn es um Krankheiten und Schädlingsprophylaxe geht, folgen die PFF-Landwirte den Lehren Arden Andersons, einem ehemaligen Professor für Landwirtschaft aus den USA.
Kalzium (Ca) und Phosphor (P) stehen seiner Meinung nach auf der Prioritätenliste an Platz eins und zwei. Ein Pflanzenbestand nimmt zwischen 45 und 70 kg Ca/ha auf. Dabei wird es genauso wie Nitrat direkt mit dem Wasserstrom aufgenommen.
Dazu muss es zuerst durch Wurzelsäuren o.ä. in die Bodenlösung gelangen. Ist zu wenig Ca am Austauscher, muss gekalkt werden. Auf nicht carbonathältigen Böden empfehlen sich auch eine oder zwei Kalkmaßnahmen von 100 bis 150 kg Branntkalk je Hektar, um wieder frei verfügbares Ca im Boden zu haben. Ist das Wasser knapp und/oder befindet man sich auf carbonathältigen Böden, so kann Ca auch als feinst vermahlener Kalk (CaCO3) mit der Feldspritze über das Blatt gegeben werden.
Wichtig hierfür ist allerdings, dass das Wasser kalt ist und die Brühe mit Zitronensäure behandelt wird. CaCO3 kann über das Blatt nicht aufgenommen werden. Die Säure verwandelt es in CaO, welches direkt ins Blatt diffundiert.
Phosphor als Energieträger
Der zweitwichtigste Nährstoff ist P. Diesem Nährstoff sollte laut Derflinger allgemein wieder mehr Beachtung geschenkt werden. In den vergangenen Jahren wurde seiner Meinung nach im Sinne des Wasserschutzes zu viel P-Bashing betrieben.
„Es gibt viele Flächen, die schlecht versorgt sind. Die müssen unbedingt wieder mehr Phosphor düngen und/oder den Nährstoff mit Zwischenfrüchten mobilisieren“, betont Derflinger. „Ein Körnermais mit 11,5 t Kornertrag benötigt 121 kg P2O5.
Dabei ist zu beachten, dass hohe pH-Werte antagonistische (hemmende) Wirkung auf die P-Verfügbarkeit haben. Und es muss auch genügend Zink vorhanden sein. Ist zu wenig Zink im Boden, nimmt die Pflanze auch weniger P auf.“
P ist besonders für den Energietransport in der Pflanze unerlässlich, was gerade in der Schädlingskontrolle eine wichtige Rolle spielen soll. Anhand zweier Beispiele wollen wir praktisch erklären, wie die PFF-Landwirte gezielt gegen Schadorganismen vorgehen.
„Wir haben schon mehr Lösungen gegen diverse Schädlinge entwickelt. Bei diesen beiden hat es in den vergangenen Jahren aber bereits sehr gut geklappt“, ergänzt Manfred Derflinger.
Der Erdfloh
Der Erdfloh sieht ein anderes Farbenspektrum als der Mensch. So erkennt er, ob eine Pflanze mehr Nitrat als Ammonium im Pflanzensaft enthält. „Steigt der Gehalt an Nitrat im Pflanzensaft auf über 55 % vom Gesamtstickstoff, so fliegt der Erdfloh zur Pflanze wie die Motte zum Licht“, so Derflinger.
Um also den Erdfloh von den Flächen wegzubringen, muss man versuchen, den Nitratgehalt in der Pflanze niedrig zu halten. Ist zu viel Nitrat in der Pflanze, so hilft eine ausreichende Versorgung mit Molybdän und Kupfer. Molybdän ist maßgeblich für die Nitratverarbeitung in der Pflanze verantwortlich (Nitratreduktase). „Aber auch Phosphor wird als Energieträger gebraucht“, erklärt Derflinger. „Energie, um Nitrat zu Ammonium umzuwandeln.“
Auskunft über den Nitratgehalt in der Pflanze gibt eine Blattsaftanalyse. Die lassen die PFF-Bauern bei der NovaCropControl in Holland durchführen. Zusätzlich zum Nitrat ist es der Zucker in der Pflanze, den der Erdfloh, aber auch viele andere Schädlinge als Nahrungsquelle suchen.
Der Zuckergehalt in der Pflanze wird mithilfe eines einfachen Refraktometers (bis 32 % Brix) bestimmt. Dieser ist im Handel für rund 25 Euro erhältlich. Er gibt den sogenannten Brixwert an, der idealerweise um 15 liegt. Darüber ist zu viel, darunter zu wenig Zucker im Blatt. Ist zu viel Zucker in der Pflanze, ist das ein Anzeichen für einen Zuckerstau.
Die Pflanze kann den Zucker – den sie durch Photosynthese produziert – nicht verarbeiten oder in die Wurzel ableiten. Hierfür ist eine ausreichende Borversorgung notwendig. Eine Borgabe sollte laut PFF am späten Nachmittag verabreicht werden und nur wenn wüchsiges Wetter folgt.
Ansonsten sinkt der Zuckergehalt in der Pflanze zu stark, was die Pflanze schwächt und wiederum Schadorganismen anlockt. Ein Beispiel für eine Mischung gegen den Rapserdfloh wurde in den vergangenen Jahren bei einem PFF im Nordburgenland getestet. Hier wurde der Schädling mit einer einmaligen Gabe von 4–5 kg CaCO3, 1 Liter Zitronensäure, 0,07 l Molybdän (15 g Mo) und je nach Brixwert 0,15–0,5 l Bor (mit 150 g Borethanolamin/l) von der Fläche ferngehalten.
„Während andere Landwirte in diesem Gebiet schon drei Mal mit Pyrethroiden gefahren sind und so mancher den Raps umbrechen musste, reichte hier diese Düngemaßnahme aus“, betonte Derflinger.
Gib der Rübe Zucker
Die Krankheit Cercospora bei der Rübe ist ein ganz spezieller Fall. Im Normalfall können Rübenbauern mit drei bis fünf Fungizidmaßnahmen im Sommer gerade so die Rübe bis zur Ernte sauber halten.
Das Problem: Die fungiziden Wirkstoffe leiden unter Resistenzen. Daher kommt der Kontaktwirkstoff Kupfer vermehrt zum Einsatz. Diese Krankheit bekommen die PFF-Bauern nach eigener Aussage mit einer einzigen Fungizidmaßnahme gut in den Griff.
Der Weg beginnt mit möglichst optimalen Nährstoffverhältnissen im Boden. Dazu ist wieder eine ausreichende Versorgung der Pflanze mit P und Ca wichtig. Noch wichtiger ist aber der Zuckergehalt im Blattapparat. Der sollte bei der Rübe nicht zu niedrig werden.
„Cercospora ist ein Kohlehydrat- und Zuckermangel“, erklärt Derflinger. „Das ist hauptsächlich den zu hohen Borgaben über das Blatt geschuldet.“
Einzelne Gaben von 3 l Bor (150 g/l Borethanolamin) veranlassen die Pflanze, zu viel Zucker in die Wurzel zu pumpen. Das öffnet aber dem Pilz Tür und Tor, da sich die Pflanze nicht mehr wehren kann.
„Hat man zu wenig Zucker im Blatt, so geben wir gerne auch mal eine Gabe Zucker, sei es gewöhnlicher Haushaltszucker oder Melasse, um den Zuckergehalt im Blatt wieder anzuheben“, erklärt Derflinger.
Zusätzlich braucht es aber auch noch eine Vielzahl anderer Nährstoffe, um den Pilz bis zum Ende fernzuhalten. Hier hilft die sogenannte MoNaCo-Spritzung, die bei PFF-Mitgliedern in Bayern gut funktioniert hat.
1. Zum offiziellen ersten Cercospora-Termin: Fungizid und Kupfer laut Standardempfehlung
2. Beginnender Reihenschluss: 3–5 kg Mangansulfat
+ 0,5–1,5 l Bor + 70–120 g Kupfersulfat
3. Später Reihenschluss: 30–100 g Natrium-Molybdad + 10–20 g Cobalt + 100–300 g Natriumchlorid
4. Kurz vor dem zweiten Cercospora-Termin:
10 kg CaCO3 (feinste Vermahlung) + 10 kg
Zucker oder 20 kg Melasse + 10 kg Harnstoff
Dass das Auftreten von Schaderregern auf Ernährungsstörungen zurückzuführen ist, ist grundsätzlich nichts Neues. Die Umsetzung ist das Problem. Der Aufwand ist sicherlich nicht ohne.
Doch in Zeiten, in denen die Pflanzenschutzmittelpalette immer kleiner wird, ist es gut zu wissen – wenn auch nur im Hinterkopf –, dass es noch andere Möglichkeiten gibt, Pilzkrankheiten und Schädlinge in den Griff zu bekommen.
Wie zum Beispiel Erdfloh, Laus, Engerling und Drahtwurm.
Dieser Beitrag ist zuerst in LANDWIRT im September 2021 erschienen. Der LANDWIRT ist die führende Fachzeitschrift für bäuerliche Familienbetriebe in Österreich, Süddeutschland, der Schweiz und Südtirol.
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