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Die Regeneration von Böden – und gleichzeitig allem

Diese Idee - sich so tief wie möglich unserer Auswirkungen auf die Biosphäre bewusst zu werden, ohne Filter und absichtliche Ignoranz, die uns der Mühe berauben immer weiter zu lernen, ist immens wichtig. Es ist ein wahrer Akt der Liebe.

«And so what has become the usual order of things reversed itself with me; my mind became the root of my life rather than its sublimation. I came to see myself
as growing out of the earth like the other native animals and plants. I saw my body and my daily motions as brief coherences and articulations of the energy of the place, which would fall back into it like leaves in the autumn”

„Und so kehrte sich das, was zur üblichen Ordnung der Dinge geworden ist, bei mir um; mein Verstand wurde zur Wurzel meines Lebens und nicht zu seiner Sublimation. Ich begann mich selbst zu sehen als aus der Erde wachsend, wie die anderen einheimischen Tiere und Pflanzen. Ich sah meinen Körper und meine täglichen Bewegungen als enge Kohärenzen und Artikulationen der Energie des Ortes, die wie Blätter im Herbst wieder in ihn zurückfallen würden.“

Wendell Berry, A Native Hill, 1968

In dem Essay „A Native Hill“ untersucht der amerikanische Schriftsteller, Agrarphilosoph und Ökologe Wendell Berry die Veränderungen, die in seiner innigen Beziehung zum Land eintraten.

Er kehrte 1964 im Alter von 30 Jahren dahin zurück, wo er aufgewachsen war: Port Royal, Kentucky.

Dabei kehrte er widerwillig einer vielversprechenden akademischen Karriere in der Welt der Literatur den Rücken. Für einen Schriftsteller mit seinen Ambitionen bestand die Welt – und sein akademischer Vorgesetzter an der Universität in der Metropole New York bestand darauf – aus Aufeinandertreffen von brillanten Köpfen, literarischen Zusammenkünften und anderen intellektuell anregenden Aktivitäten.

Die Welt auf dem Land – die war bestenfalls nur etwas über das mal geschrieben wird.

Neue Perspektiven

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Wendell Berry wurde über die Zeit zu einem der angesehensten und vielseitigsten amerikanischen Dichter und Essayisten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. 

Zudem ist er einer der führenden Köpfe des Jahrhunderts, die sich mit Landwirtschaft und Gemeinschaft und der Tiefenökologie auseinander setzen.

Er ist auch einer der weltweit führenden Befürworter der Zugkraft von Tieren übers Feld – statt Traktoren. Und er ist seit seiner Rückkehr zu seinen Ursprüngen selber in der Landwirtschaft aktiv.

Er hat seine Arbeit auch mit einer Organisation verbunden, die sich mit agrarökologischen Studien befasst und es etablierte sich ein Kurs für ökologische Landwirtschaft am Sterling College in Vermont.

Nachdem er sich dauerhaft auf dem Land seiner Familie niedergelassen hatte, entwickelte sich in ihm ein Gefühl tiefer Verantwortung für seine Rolle als Hüter dieses Landes. 

Es war bisher nicht apathisch gegenüber den schädlichen Auswirkungen der Industrialisierung der Landwirtschaft und der damit verbundenen fortschreitenden Zerstörung des Landes. 

Was bis dahin ein neugieriger und kritischer Blick war –  fundiert und scharfsinnig, jedoch distanziert – wich nicht nur einem umfangreichen literarischen Werk, sondern vor allem einer Lebensweise, die sich an unerschütterlichen ethischen Grundsätzen orientiert.

Mit intellektueller Aufrichtigkeit und Mut spürte Berry intensiv das Gewicht der Fehler seiner Vorfahren seit der frühen britischen Kolonisierung. 

Die mühsame Mission mit diesem „Fortschreiten des Ruins dessen, was ich am meisten in der Welt schätze: das Leben und die Gesundheit der Erde, den Frieden der menschlichen Gemeinschaften und Häuser“ klar zu kommen, führte ihn zu inneren Konflikten, die für ihn nur schwer lösbar waren. 

Die Lösung bestand für ihn darin, eine moderne Indigenisierung einzuleiten. 

Die verbleibenden indianischen Völker – die rechtmäßigen Ureinwohner Nordamerikas – die sich über viele Jahrtausende zu den Indigenen des Landes entwickelten waren zu diesem Zeitpunkt bereits von ihrem Land vertrieben und ihrer Sitten und Gebräuche beraubt. 

Wendell Berry fand jedoch durch das Studium historischer Archive und ethnographischer Sammlungen einen Ausgangspunkt für die lange Reise seiner eigenen Indigenisierung.

In einem Geschichtsbuch über Kentucky stößt er auf eine Chronik aus den späten 1600er Jahren – der frühen Zeit der Kolonisierung Kentuckys – in der die Gewohnheiten der Siedler beschrieben werden, die eine Straße durch die damals dichten Wälder des Staates bauten. 

Ein Detail erregt Wendells Aufmerksamkeit: Wurde es Nacht errichten die Siedler angesichts der Fülle des verfügbaren Holzes gigantische Lagerfeuer. Sie konnten so die Nacht gemütlich verbringen, ohne an eine andere Unterkunft zu denken. 

Für Wendell Berry ist dies ein Akt absoluter Gewalt, stellvertretend für alles, was noch kam:

 „Im Vergleich mit der Vaterschaft solcher Männer, die unsere politischen Ideale begründeten – sind diese so genannten ‚Gründerväter‘ nur entfernte Cousins. Sie sind nicht John Adams oder Thomas Jefferson, die wir Abend für Abend im magischen Spiegel des Fernsehgeräts sehen. Was wir sehen sind die Erbauer der Straße von New Castle bis zur Mündung des Kentucky River. Ihre rücksichtslose Gewalt verherrlicht all unsere Trivialitäten und Übeltaten. Ihre Angriffe haben unsere Komplexität und Probleme vereinfacht. Sie haben alle unsere gordischen Knoten durchgeschnitten. Sie haben in unseren Kostümen und Verkleidungen mitgespielt. Und sie haben uns in ihre Uniformen gekleidet. Ihr Kriegsgeschrei hat unsere Unmenschlichkeit geheiligt und unsere politischen Zweideutigkeiten bestätigt.“

Indigene – so wie es die die nordamerikanischen Indianer waren – würden in einer solchen Nacht einen kleinen Unterschlupf bauen und ein kleines Feuer machen.

Ihre Lebensweise hätte sich langsam entwickelt, je nach Stand des Wissens über das Land, ihrer Bedürfnisse, ihrer Abhängigkeitsverhältnisse zu dem Land und ihre Fähigkeit, auf diese Abhängigkeit zu reagieren.

Auf einer Konferenz an der Georgetown University 2011 beschrieb Wendell Berry in seiner Rede „Die Zukunft der Landwirtschaft“ Maßnahmen, die die Menschheit für ihre Zukunft ergreifen sollte.  Als vierte von sieben Maßnahmen berschrieb er:

„Wir müssen, wenn wir können, die Ursprünge und Kosten unseres eigenen Wirtschaftslebens entdecken.“

 

Diese Idee – sich so tief wie möglich unserer Auswirkungen auf die Biosphäre bewusst zu werden, ohne Filter und absichtliche Ignoranz, die uns der Mühe berauben, immer weiter zu lernen, ist immens wichtig.

Es ist ein wahrer Akt der Liebe.

Die Prüfung sollte so umfassend und tiefgreifend wie nur möglich sein. Und wenn wir uns irren, sollte uns das bewusst werden und wir sollten den Schmerz ertragen, das geliebte Objekt verletzt zu haben. 

Haben wir Lust auf den Kauf einer tropischen Frucht, die von der anderen Seite des Planeten importiert wurde – oder auf eine Tomate aus dem Gewächshaus in Südspanien oder Holland im Dezember- ist es wichtig zu verinnerlichen, dass die externen Kosten dieser Produkte viel höher sind als der Wert, den wir in Euro bezahlen.

Landwirtschaftliche Unternehmer brauchen eine eingehende Analyse der tatsächlichen Kosten ihrer Tätigkeit. 

Die Landwirtschaft kann als einer der umweltschädlichsten Industrien gesehen werden – was mit der Verantwortung für die Verschlechterung der Lebensbedingungen auf unserem Planeten Erde einhergeht.

In seinem Buch „Dirt: the Erosion of Civilizations“ zeigt der amerikanische Geologe David Montgomery auf, wie schlechte landwirtschaftliche Praktiken zum Verschwinden von praktisch aller bekannten Gesellschaften und Zivilisationen in den letzten 10.000 Jahren beigetragen haben. 

Dabei hat die Landwirtschaft einen großen Vorteil: Sie kann nachhaltig sein. Und sie kann mehr als das – sie kann sogar regenerativ sein.

Was die Regeneration von Böden und ganzen Landschaften betrifft, so haben wir heute wie nie zuvor Zugang zu Informationen und wir können diese auch mit Hilfe von Beratern in Anspruch nehmen. 

So können verschiedene Methoden, Techniken und Ansätze wie Regenerative Landwirtschaft, holistische Weidehaltung, konservierende Landwirtschaft, Agroforstwirtschaft oder auch biointensiver Gemüsebau etabliert werden.

Zusätzlich gibt es agrarökologische Gebietsgestaltungssysteme wie P.A. Yeomans‘ Keyline Design oder die Permakultur von Bill Mollison und David Holmgren.

Die vielgepriesene ökologische Landwirtschaft lasse ich außen vor. Sie bietet weder einen technischen noch philosophischen Ansatz, sondern ist ein institutionalisiertes und akademisiertes System von Verboten und Erlaubnissen. Es nützt den landwirtschaftlichen Gemeinschaften, Böden und Landschaften nur wenig.

Bei so vielen Werkzeugen die uns zur Verfügung stehen, kann es sehr kompliziert sein zu entscheiden, welche Option die Beste ist.

In dieser Hinsicht wird uns das Leben erleichtert.

Die jahrzehntelange Arbeit von Allan Savory, einem in den 1930er Jahren in Simbabwe geborenen Biologen, und seinen Mitarbeitern brachte einen Rahmen für die Entscheidungsfindung in komplexen Umgebungen hervor: Das Holistic Management

Savorys lebenslanges Engagement rühren von der Erkenntnis her, dass der moderne Mensch die Fähigkeit verloren hat, weise und systematische Entscheidungen zu treffen. Dabei ist es wichtig Entscheidungen treffen zu können, als Entscheidungsträger in komplexen, sich selbst organisierenden Systemen wie Ökosystemen. 

Im Holistic Management werden Entscheidungen einem Kontext untergeordnet, der von den Entscheidungsträgern vordefiniert wird. Dieser Kontext steht auch immer im Zusammenhang mit einer festgelegten und zukünftigen Ressourcenbasis. Und damit dem Land, das uns umgibt. Hier bei wird gesehen, dass Ökosysteme durch vier grundlegende Prozesse reguliert werden: Energiefluss, Wasserkreislauf, Nährstoffkreislauf und Gemeinschaftsdynamik. 

Um zur Entscheidung im Sinne des aufgestellten Kontexts zu kommen, wird mit einer Reihe von sieben Schlüsselfragen gearbeitet. Entscheidungen können so für die Entwicklung des großen Ganzen abgewogen werden.

Savorys Weg führte über die Jahre über viele Umwege. Die Fehlkalkulationen, die er im Laufe der Zeit machte, führten dazu, dass er die Methode verfeinerte, und heute, mit 87 Jahren, ist es die bedingungslose Liebe zum Planeten Erde, die ihn antreibt. Seine Arbeit ist heute über das Savory-Institut gut verfügbar.

Auch Wendell Berry ist mit 88 Jahren immer noch in seiner Mission aktiv.

Blicke ich zurück, glaube ich, dass es eine Regeneration von Böden, Landschaften oder Kulturen nur geben kann, wenn wir ein starkes Gefühl der Zugehörigkeit zu dem entwickeln, was regeneriert werden soll. 

Um ein Hüter des Landes zu sein, muss das, was gepflegt wird, bedingungslos geliebt werden. Und nicht nur bearbeitet werden, weil es einem richtig, notwendig oder sonst wie erscheint.

Diese Ausrichtung führt zur unaufhörlichen Suche nach den besten Lösungen. Und zum klaren Lesen der Zeichen von Fortschritt oder Rückschritt. Ohne sich dabei auf die verschlungenen Pfade von Trends und Modeerscheinungen des Augenblicks zu begeben – und/oder sich der Anerkennung durch die rein analytische Wissenschaft hinzugeben.

Soilify.org ist die Plattform der Regenerativen Landwirtschaft. Zusätzlich zu unseren eigenen journalistischen Inhalten erscheinen ausgewählte Texte kluger Branchenköpfe. Einen davon habt ihr gerade gelesen. Bitte denkt daran, dass die Meinung unserer Gastautoren nicht unbedingt die unsere ist. Wir sind für offene Diskursräume. 🤗

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