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Umgeben von Vogelgezwitscher und grünen Versuchsfeldern befindet sich in 10 Kilometer Entfernung das Versuchsgut (VG) der Hochschule in Merklingsen. Auf diesem Gut wird nun schon seit 30 Jahren die pfluglose Landwirtschaft praktiziert. Ideal als Austragungsort für dieses zweitägige „Fest des Bodens“. Die FHSW ermöglicht jungen Menschen seit 100 Jahren eine fundierte Agrarausbildung. Dieses Doppel-Jubiläum und eine Tatsache, dass Ackerboden zur Boden des Jahres 2023 auserkoren wurde, verleiteten dazu dies gebührend zu feiern.
Unter den Gästen waren Landwirtinnen und Landwirte, Studierende der Fachhochschule, Repräsentanten von Landmaschinenherstellern (u.a. Novag und Väderstad) und Saatgutberatern (u.a. KWS, DSV) und viele andere Akteure der Landwirtschaft und weitere Interessierte.
An den folgenden zwei Tagen drehte sich alles um den Boden als lebenswichtige Ressource; seine Funktion, sein Potenzial und seine Gesundheit.
Tag 1 der Ackerbodentagung
Der erste Tag begann mit Begrüßungsworten von Staatssekretär Dr. Martin Berges vom Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Düsseldorf. Weiter ging es in die Einführung der Tagung durch Prof. Dr. Thomas Weyer für Agrarwirtschaft der FHSW. Er hielt eine Laudatio für die wichtigste Ressource der Landwirtschaft und der Menschheit – den Ackerboden.
Im Anschluss an diese Intro folgte der Vortrag von Dr. Ute Wollschläger aus dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung aus Halle. Die Koordinatorin des BonaRes – Zentrum für Bodenforschung stellte wissenschaftlich die Bodenfunktionsbewertung von Ackerböden und deren aktueller Zustand und Potenziale dar.
Anschließend widmete sich MSc Philipp Rüther von der FH Südwestfalen den aktuellen Forschungsergebnissen aus NRW über die Perspektiven der Bodengesundheit und des Bodenschutzes.
Zu dem Themengebiet Bodenschutz gehört auch die Pflanzenernährung im Boden. Für diese Information sorgte Mathias Zeitke – seines Zeichens erfahrener Direktsaat-Landwirt aus Stralsund. Er berichtete aus seiner wertvollen Praxis, wie man Nährstoffe mit der Direktsaat im System Pflanzenbau halten kann. Laut Mathias Zeitke ist Zero Till (möglichst null Bodenbearbeitung) aktiver Umweltschutz. Er freut sich sehr über die Vermehrung seiner Mitarbeiter: Nämlich, die Regenwürmer!
Wie man Bodenleben selbst entdecken, bestimmen und systematisch weiterentwickeln kann, erklärte Marie-Thérèse Gässler, Landwirtin und Agraringenieurin. Sie ist extra für die Tagung aus Amblainville in Frankreich nach Soest gereist. Das Publikum im Saal spürte ganz genau, was das Herz der Agraringenieurin höher schlagen lässt: Hochkonzentriert zeigte Landwirtin-Forscherin durch das Mikroskop gewonnene Abbilder der kleinsten Mikroorganismen im Boden.
Als Dr. Christoph Rosinger von der Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU) eine neue Humustheorie und on-farm Speicherpotenziale vorstellte, lauschten die Anwesenden aufmerksam seinen Worten. Insbesondere neue Erkenntnisse aus Humussätttigung anhand eines praktischen Beispiels blieb den Zuhören in Gedächtnis.
Der erfahrene Landwirt Johannes Storch vom Biogemüsehof live2give aus Dickendorf, Nordrhein-Westfalen stellte einige Best Practice Beispiele aus seinem Alltag vor: Mulch-Direktpflanzung in Gemüsebau. Auch der Praktiker Maximilian Henne aus Göttingen glänzte mit seinen vielfältigen Erfahrungen in der Direktsaat, seiner Meinung nach das einzig zukunftsfähige System im Ackerbau, was sich auf seinem Betrieb Tag für Tag erfolgreich etabliert.
Anschließend strömten die Besucher, gefüttert mit handfestem Wissen und neuen Impulsen, in Scharen nach draußen. Dort wurden sie von üppigen Wildblumensträußen und verführerisch duftendem Barbecue empfangen, das durch den Landwirtschaftsnachwuchs der Fachhochschule liebevoll zubereitet wurde – zum Genuss aller.
Unvergesslich: die „Bodenbrille“
Ein weiteres Highlight war die sogenannte Bodenbrille – eine VR-Brille, mit der man die Bodenwelt interaktiv betrachten kann. Besucher konnten die winzigen Bodentierchen hautnah erleben und über die Vielfalt und Nützlichkeit der Bodenbewohner staunen. All das, was man mit bloßem Auge normalerweise nicht erkennen kann, wird plötzlich riesengroß. Gemeinsam mit Kellerasseln im Laub liegen, mit Insekten auf einen Blattstiel hüpfen oder auf der Kappe eines Pilzes landen. Diese ungewöhnlichen Perspektiven hinterließen bei vielen Wagemutigen einen bleibenden Eindruck. Durch dieses besondere Erlebnis führte Dr. Jana Epperlein, ihres Zeichens Geschäftsführerin des GKB e.V. (Gesellschaft für Konservierende Bodenbearbeitung e.V.). Die GKB ist übrigens auch Mitglied der ECAF, der European Conservation Agriculture Federation.
Tag 2 der Ackerbodentagung
Am Morgen des zweiten Tages stellte Dr. Jana Epperlein (GKB e.V. /ECAF) den Besuchern die GKB als gemeinnütziges Netzwerk und dessen Aufgaben vor. Es wurde auch ausführlich über die Prinzipien der Conservation Agriculture (CA) und dessen noch derzeit geringe flächige Ausbreitung in Europa informiert. Als Vergleich wurde Nord-, Mittel und Südamerika genommen. Die direkte Vorteile der CA wurden nicht nur auf individuellen Ebene der Landwirtschaft ausgearbeitet. Ihre enorme Bedeutung für nationalen und europäischen strategischen Zielen der Umweltschutz stellte Dr. Jana Epperlein deutlich im Vortrag dar.
Im Anschluss an den Vortrag von Frau Dr. Epperlein überzeugte Landwirt und Direktsäer Alexander Klümper aus Coesfeld/Bias, ein ehemaliger Student der FHSW, mit seiner langjährigen Erfahrung in dem System der Direktsaat. In seinem Vortrag ging er der Frage nach, warum Bodenbearbeitung in keine prosperierende Zukunft führen kann. Nicht der Klimawandel selbst verursacht Bodenerosion, sondern vor allem die mechanische Bodenbearbeitung. Statt nur Symptome zu bekämpfen, sollte man doch besser die Ursachen ausfindig machen und nach konkreten Lösungen suchen – insbesondere gedanklich und auch praktisch in die Richtung der sinnvollen Bodenschonung bewegen – so die Botschaft des Landwirts.
Klimawandel: Ursache und Wirkung
Unter freiem Himmel zu den „Big Eight“
Auf dem Versuchsgut Merklingsen wurde ein beachtlich großes und sorgfältig aufbereitetes Bodenprofil angelegt, das so manche Bodengeheimnisse offenbarte. Mit einem fesselnden Vortrag lockte der Professor für Bodenkunde Dr. Thomas Weyer die Besucher in die Tiefen des Bodenprofils.
Über den gesamten Vormittag luden die Macher des Programms auf Feldsafari ein, um die sogenannten „Big Eight“ zu erkunden: Acht vorbereitete Stationen über unterschiedliche Aspekte des Bodens – von der Bodenbiologie über Zwischenfrucht- und Untersaatsversuche bis hin zur Vielfalt des Bodenlebens. So konnte man zum Beispiel weitere spannende Fakten über den Regenwurm erfahren, der am liebsten allein und ungestört seine Gänge zieht und auf diese Weise den Acker „pflügt“.
Laut der Laudatio von Prof. Dr. Thomas Weyer bleibt ein Regenwurm in seinen Gängen in einem Umkreis von nur etwa 30 cm und in mehr als 1,50 m Tiefe – sein Leben lang, das im Durchschnitt ganze 8 Jahre währt. Vorausgesetzt, er wird bei der Nahrungssuche an der Bodenoberfläche, von hoffentlich keiner mechanischen Bodenbewegung „gestört“.
Ob nun Glyphosat oder die Bodenbearbeitung den Regenwurm stärker tangieren, erfahrt Ihr in dem Abschlussbericht des 3 Jahre durchgeführten EIP Agri Projektes der GKB mit dem Titel: „Smarte UNkrautkontrolle – Entwicklung innovativer Strategien zum Glyphosatverzicht im pfluglosen Ackerbau“.
Der richtige Reifendruck schont Bodenleben und Geldbeutel
Zum Schutz des Bodens gehört auch der passend ausgewählte Druck der Landmaschinenbereifung. Dieses Thema und der Wunsch lebenslang zu lernen samt das innovative Engagement der FHSW spiegelte sich in dem Workshop des pensionierten Professors Ludwig Volk wider. Er beeindruckte mit seinem Wissen über den Einfluss des Reifendrucks auf den Ackerboden. Ein stets angepasster Reifendruck beim Befahren von Ackerböden schont nicht nur das Bodenleben, sondern lässt auch den Dieselverbrauch merklich sinken – samt reduzierter Reifenabnutzung. Das kurze Zusammenkommen mit Prof. Dr. Volk bereicherte Herz und Seele. Das filmten wir auch sehr gerne!
(Wenn unsere Dienste woanders auch gebraucht werden, sehen Sie bitte den Link unten. Soweit das Soilify Kalender es zulässt, steht Soilify Team Ihnen zur Seite!)
Neue Perspektiven
Zur bequemen Befahrung der Bodentagungsprogramms half der Planwagenmobil. Das kutschierte gemütlich Teilnehmende von einer Big Eight Station zur nächsten – in einer ausgeklügelten Hop-on Hop-off Methode. Ausführliche Gespräche, Ping-Pong-Erfahrungsaustausch und aktives Zuhören prägten auch hier wieder die weiteren Begegnungen unter freiem Himmel.
Nach dem Mittagessen ging es dann mit den Studierenden der FHSW in weitere Workshops „Weg mit den ›Pfunden‹, „Nicht zu viel, nicht zu wenig“ oder „Drunter und Drüber“. Es wurde unter anderem diskutiert, wie zukünftiger Ackerbau aussehen kann oder welche technischen Lösungen nützlich sein können. Es wurden auch viele Gedanken gemacht über Nährstoffüberfluss, sauren Böden und sinnvollen Kalkungs-, Humus- und Pflanzenernährungskonzepten. Des Weiteren wurden Möglichkeiten unter die Lupe genommen, was und wie man von der Bodenbiologie lernen kann oder welche Wege zu mehr Biodiversität und Bodenleben führen, um Systeme resilienter zu gestalten. In einer Abschlussdiskussion wurden die Ergebnisse der Workshops auf der Bühne präsentiert.
Impressionen der Bodentagung 2023 (Teil 1)
Impressionen der Bodentagung 2023 (Teil 2)
Der krönende Abschluss der Bodentagung
Der Referent für Bodenkunde Dr. Konrad Egenolf von der Landwirtschaftskammer NRW sowie Klaus Keppler, Vorstand von der GKB, und Dr. Ute Wollschläger von BonaRes Zentrum führten das Bodenfest zu einem professionellen Abschluss.
Der Schlusswort, das Prof. Dr. Thomas Weyer an den wissentschaftlichen Mitarbeiter des Fachbereichs an der FHSW Jonas Splietker festlich übergeben hatte, vollendete diese Veranstaltung zu einem unvergesslichen Fest des Bodens.
Die zwei Tage waren geprägt vom Wissensaustausch und von der Neugier über die lebenswichtige Ressource: unserem Ackerboden.
Das Versuchsgut Merklingsen begeisterte uns mit seiner Gastfreundschaft und seinem fabelhaften Personal. Es gibt dort eine wunderbare Mitarbeiterin Dorothee, die schon über 25 Jahre dem VG loyal ist! Heutzutage ist das eine Seltenheit. Mit ihrer Heiterkeit erstrahlte sie jede Ecke des Geländes. Alle Beteiligten überzeugten mit Offenheit und der Lust an Wissen und Bereitschaft zum Experimentieren. Was für ein beeindruckendes Fest!
Das krönende musikalische Professoren-Duo der Ackerbodentagung 2023 werden wir nie vergessen!
Weiter so, Ihr Lieben. Auf kommendes Jahr!